Mulackstraße 15, 21:00 Uhr. Es ist ein ganz gewöhnlicher Abend in der Mulackritze. In der berühmt-berüchtigten Kneipe geht es heiß her: Es wird wild gezecht, gelacht und mit hochroten Köpfen diskutiert. Das alte Grammophon tut scheppernd, aber unbeirrbar seinen Dienst und tönt durch das bunte Treiben. Es riecht nach kaltem Rauch und frischgezapftem Bier. Und noch etwas liegt in der Luft: der Duft einer kleinen, aber wertvollen Freiheit. Hier im Scheunenviertel trifft sich allabendlich das Milieu: Gewöhnliche Arbeiter, Schurken und selbst Stars wie Marlene Dietrich und Claire Waldoff sind oft gesehene Gäste.
In den 1920er-und 1930er-Jahren ist das Scheunenviertel ein Melting Pot für alle, die anders sind. Bordsteinschwalben üben im Hinterzimmer in der „Hurenstube“ ihr Geschäft aus oder erholen sich von der Nacht auf der Straße, finstere Gesellen und Künstler wie der Pinselheinrich finden in der legendären Kneipe in der Mulackstraße eine Heimat und einen geschützten Ort. Hier werden selbstgedrehte Zigaretten aus den Arbeiterwohnungen nebenan verkauft, an der Tür steht jemand Schmiere und die Gäste können, sofern sie bezahlen, tun und lassen, was sie wollen. Und die lassen sich nicht zweimal bitten. Man ist sich einig: Es muss etwas getan werden! Denn das Leben als einfacher Kleinganove ist nicht einfach. Verarmt, vereinzelt und hungrig versuchen die Gauner Berlins mehr schlecht als recht über die Runden zu kommen. Frisch aus dem Gefängnis entlassen haben die schweren Brüder kaum eine Chance auf Arbeit oder eine Bleibe.
Muskel-Adolf, mit bürgerlichem Namen Adolf Leib, haut kräftig auf den Tisch und verlangt gebieterisch nach Ruhe. Denn ihm kommt eine kühne Idee: Was wäre, wenn man sich zusammenschlösse? Kräfte bündelte, Kontakte und Netzwerke nutzte? Kurzerhand gründen die Ganoven einen Verein, samt Satzung, Banner und Vorstand. Die Idee von Muskel-Adolf ist nicht ganz neu: Schon 1890 gründete sich in Berlin der erste Ringverband. Die Verbände wurden zu einem Sozialsystem der Unterwelt. Hier unterstützen sich ehemalige Sträflinge mit Geld aus der Vereinskasse gegenseitig. In der Mulackritze entsteht an diesem Abend der Geselligkeitsverein Immertreu e. V. – sein klangvoller Name steht bis heute für echten Charakter und spannende Geschichten: IMMER&TREU heißt unser Haus in der Mulackstraße 22, es liegt nur einen Steinwurf von der legendären Kneipe entfernt.
Per Satzung verpflichten sich die Mitglieder zu einem anständigen Leben, wer schwere Verbrechen wie Mord auf dem Kerbholz hat, wird gar nicht erst zugelassen – das gebietet die Gangster-Ehre! Muskel-Adolf weiß genau, wie Image-Pflege betrieben wird. Und er weiß, wie man einen Ort schafft, an dem sich alle wohlfühlen. Willkommen in der Mulackstraße, willkommen im IMMER&TREU.